Eine Geschichte zum Wochenende

IMG_0703 Ich war die letzten Tage ja so ungeheuer BLOGuktiv (muahhaa…)
deswegen gibt es jetzt hier eine Geschichte, die ich in dieser Nacht
geschrieben habe.

Viel Spaß.


Eitel Aua-Sonnenschein

Klara wuchs zusammen mit vielen Geschwistern, Cousins und Cousinen auf einem Feld in einem schönen Tal mit einem gemütlich vor sich hinplätschernden Bach und ein paar großen, knorrigen Eichenbäumen auf.
Es war wirklich eine schöne Kinderzeit. Täglich versuchten sie, sich im Wachsen zu übertrumpfen – und jeder versuchte, die anderen im leuchtenstem Gelb zu übertreffen – wie es sich schließlich gehörte für eine ordentliche Sonnenblume. Und auch Klara hing sich da ordentlich rein.
Bald jedoch merkte sie, dass sie etwas anders war. Während die anderen sich fleißig der Sonne zudrehten und versuchten, deren Gold in ihren eigenen Farben einzufangen, ging es Klara nicht so gut. Ihr Blütenköpfchen hing leicht herunter – und ihre Farbe ging von gelb ziemlich schnell in rot über. So fiel sie auf dem gelben Feld mit ihrem tiefroten Kopf auf wie eine bunte Chrysantheme. Das sah auch der Blumendoktor, der gerade am Feld vorüberging – und sich direkt um sie kümmerte.
„Geht’s dir nicht gut, Klara? Du hast ja einen ganz roten Kopf.“
„Ach Herr Doktor. Nein, mir geht es gar nicht gut. Mir ist so warm – und ich habe das Gefühl, als würden mir gleich die Blütenblätter abfallen.“
„Ja – das sieht nicht gut aus. Du wirkst auch etwas erschöpft. Wie lang geht es dir denn schon so?“
„Ach Herr Doktor. Gestern war noch alles in Ordnung. Ich fühlte mich so wohl – ich war die stolzeste und schönste Sonnenblume auf dem ganzen Feld. Aber vorgestern war mir schon mal so blümerant. Nicht ganz so schlimm wie heute, aber fast.“
„Hmm hmm…“ brummelte da der Blumendoktor und sah sich genau um.
Alle Sonnenblumen – bis auf Klara – reckten und streckten sich, und hielten ihre strahlend gelben Köpfe der vom wolkenlosen Himmel scheinenden Sonne entgegen.
„Hmm…“ brummelte er noch mal, und strich sich nachdenklich über seinen Bart.
„Also hast du dieses Gefühl schon öfter gehabt? Geht das schon lange so?“ fragte er sie dann.
„Ach Herr Doktor. Hin und wieder schon – mal mehr, mal weniger schlimm – aber noch nie so schlimm wie heute. Und – na ja – ich denke, es geht jetzt bald zehn Tage so? Davor war ich noch so mit Wachsen beschäftigt – da fiel mir nichts auf.“
„Hmm… Wenn dir so heiß ist, kühl ich dich am besten erst mal ab.“ sprach der Blumendoktor und holte ein großes – natürlich geblümtes – Taschentuch hervor, welches er kurz in den plätschernden Bach hielt und dann Klara auf den Kopf legte. Darauf ging es ihr gleich etwas besser.
„Ich lass das Tüchlein jetzt mal bei dir – und komme morgen noch mal vorbei.“ sagte er dann zu Klara.
„Ach Herr Doktor. Das wäre ganz furchtbar nett.“ erwiderte sie.
Darauf nickte er ihr noch mal zu, und machte sich wieder auf den Weg – Klara mit dem Tüchlein zurücklassend, welches ihren kompletten Kopf bedeckte – der langsam wieder eine normale gelbe Farbe annahm.
Am nächsten Morgen regnete es in Strömen – und in Gummistiefeln und Regenmantel machte sich der Blumendoktor auf den Weg zu Klara, seiner Patientin. Doch der ging es heute blendend. Hoch aufragend stand sie heute in strahlendstem Gelb auf dem Feld, während all ihre Verwandten die Köpfchen wie begossene Hundeblumen hängen ließen.
„Na sowas, Klara. Du siehst ja heute einfach prächtig aus!“ meinte er dann.
„Ach Herr Doktor – mir geht es heute aber auch einfach wunderbar. Ich habe das Gefühl, als könnt ich die ganze Welt umwachsen.“
„So so… Keine Hitzegefühle mehr?“
„Ach Herr Doktor – aber nein. Mir geht es heute einfach blendend. Und ich verstehe gar nicht, warum alle anderen die Köpfe so hängen lassen.“
„Hmm hmm… nun, Klara – mir kommt da ein Gedanke. Sag – wenn die Sonne so schön vom Himmel scheint wie gestern – wie geht es dir da?“
„Ach Herr Doktor. Wenn ich ehrlich sein soll… Also, morgens find ich das ja noch schön.  Da seh ich auch immer gerne zu ihr. Aber wenn sie dann so hoch am Himmel steht – dann finde ich es oftmals recht ungemütlich. Dann wird mir oftmals so warm… ach, und dann kann ich mich einfach nicht mehr so strecken. Und jetzt, wo ich so darüber nachdenke… ja, dann hab ich schon öfters Blütenschmerzen gehabt.“
„Hm hm…“ brummte da der Blumendoktor. „Dann wird mir einiges klar, liebe Klara. Ich muß feststellen, dass du an polymorpher Lichtdermatose leidest.“
„Ach Herr Doktor – das klingt ja furchtbar! Muß ich jetzt welken und sterben?“
„Nein, Klara. Das bedeutet nur, dass du an Sonnenallergie leidest. Davon stirbt man nicht. Aber was ja eigentlich das schönste für deine Art ist – ein strahlender Sonnentag – bereitet Dir eher Schmerzen und Unbehagen.“
„Ach Herr Doktor – was kann man denn dagegen machen? Ich bin doch nun mal eine Sonnenblume. Ich kann doch keine Sonnenallergie haben.“
„Doch, Klara, ich fürchte, das ist so.“
„Ach Herr Doktor…“ seufzte da Klara laut auf.
„Aber Klara – das ist doch kein Weltuntergang. Weißt du, was du am besten machst?“
„Ach Herr Doktor – nein, was kann ich denn da machen?“ fragte sie zurück.
„Pass auf…“ meinte dann der Blumendoktor. „Deine Geschwister sind doch alle so schön groß. Und wenn du jetzt weißt, das zuviel Sonnenschein nicht gut für dich ist, sollte es doch ein leichtes für dich sein, wenn die Sonne am höchsten und strahlendsten scheint, dich ein wenig hinter und unter deinen Geschwistern zu verstecken…“
„Ach Herr Doktor – meinen Sie?“
„Ja, Klara, das mein ich. Laß ihnen die Sonne, du machst dich da schön klein und bleibst in ihren Schatten – und bei so Wetter wie heute – oder wenn es trübe und bewölkt ist – dann bist Du die Sonne hier auf dem Feld.“
„Ach Herr Doktor – so hab ich das noch gar nicht gesehen. Vielen Dank.“
„Nichts zu danken, Klara. Hab ich doch gerne gemacht. Dann mach ich mich mal wieder auf den Heimweg.“
„Ach Herr Doktor – kommen Sie gut nach Hause. Oh – und hier ist auch ihr Tüchchen wieder. Und nochmals vielen Dank für alles.“
„Gern geschehen. Auf Wiedersehen, Klara.“
„Ach Herr Doktor – Auf Wiedersehen.“
Und so stiefelte der Blumendoktor mit Tuch, Regenmantel und Gummistiefeln wieder nach Hause.

Und wenn ihr demnächst in das schöne Tal mit dem gemütlich plätscherndem Bach und den knorrigen Eichenbäumen kommt, und ihr seht auf dem Feld mit den vielen Sonnenblumen eine Blume, die sich bei Sonnenschein hinter den anderen versteckt – oder bei Regen oder trübem Wetter strahlender und größer da steht als alle anderen Sonnenblumen – ja, dann seht ihr da Klara, die einzige Sonnenblume mit Sonnenallergie.

Für Nanni, am 25.01.2013 – 04:01 Uhr
Die Geschichte hat fünfeinhalb Monate gebraucht – aber da ist sie. ;o)