Kaltschnäuzigkeit

Vor einiger Zeit gab es ja den Fall, dass ein Mann in einem Sparkassenvorraum lag und gestorben ist, weil Menschen einfach über ihn drübergestiegen sind, um an den Automaten zu kommen und dann wieder zu gehen, ohne sich zu kümmern.

Wie wäre das denn bei mir? Wie würde ich mich verhalten?

Ich denke, die meisten Menschen denken von sich nur das Beste. Wie schlau mensch ist. Wie sozial… mitfühlend.
Na gut, das letzte vielleicht nicht mehr so.

Ich denke, vor 34-35 Jahren war ich das noch mehr als jetzt.

Während meiner Ausbildungszeit habe ich auf dem Weg morgens zur Arbeit auf dem Weg jemanden liegen sehen. Und ich habe mich gekümmert. Ich weiß nicht mehr genau, was + wie, aber zumindest angesprochen habe ich ihn. Und eine stabile Seitenlage versucht?

Das war nicht weit weg von meinem Zuhause – und kurze Zeit später habe ich – glaube ich mich zu erinnern – gehört, dass der Mann verstorben ist.

Heute?

Ich habe nun bereits mehrmals morgens (vor 4 Uhr) am Bahnhof Personen auf dem Bahnsteig liegen sehen.
Habe ich sie angesprochen und mich gekümmert?
Tatsächlich… Nein.

Im besten Fall schläft die entsprechende Person nur. Im schlechteren guten Fall schläft sie, ist aber betrunken. Oder möglicherweise anders berauscht. Im schlechtesten Fall geht es ihr wirklich nicht gut… und ich sollte mich kümmern. Was mensch so beigebracht bekommen wurde, damals. Bis zu einem möglichen Notruf und so lange Warten, bis Hilfe da ist.

In der Zwischenzeit ist die Bahn wohl abgefahren. Und ich bin nicht mehr in der Lage, pünktlich bei der Arbeit zu sein.

Inwieweit würde es meine Firma wohl Gutfinden, dass ich wg. Hilfeleistung zu spät zur Arbeit kam?
Wahrscheinlich würde sie diesen Grund als gerechtfertigt akzeptieren, nach dem Gespräch über das Wieso.
(Macht meine Firma ja gerne, Gespräche führen, wenn sich um Minuten wegen der Bahn verspätet wurde. Einmal kam ich 1½ Stunden zu spät, weil ich in eine Autobahnvollsperrung geraten bin. Da ging NICHTS mehr. Und ich war noch nicht mal ganz auf die Autobahn aufgefahren…
Doch wegen den 1½ Stunden musste ich nicht zu einem Gespräch. Vielleicht waren sie froh, dass ich überhaupt noch aufgetaucht bin?
Doch ich bin wieder abgeschweift.)

Was hat sich bei bzw. IN mir geändert, dass ich nun eher einen Bogen mache, statt evtl. helfen (zu müssen)?

Ich denke, ich bin zynischer geworden, kaltschnäuziger.

Es wäre (hoffentlich) wohl etwas anderes, würde ich sehen, wenn jemand gerade stürzt, und diese Person auf mich nicht betrunken wirkt. Ansonsten wird jetzt alles bei mir unter „Suff“ eingeordnet, und da dieser Zustand für mich so weit weg ist, ist für mich das Unterstützen dieses Zustands eher abwegig. Deswegen mache ich nun lieber einen Bogen um eine morgens am Boden liegende Person, die nicht in einen Schlafsack gehüllt ist.

Tut mir leid. Ich denke, da bin ich (auch) schuldig im Sinne der Anklage. :o/

Irgendwie… traurig?

 

Viele Worte

Worte und Sätze lassen sich in den verschiedensten Arten und Weisen betonen und sagen. Ich kenne das Theaterspielen, ich weiß das. Alleine die berühmten drei Worte „Ich liebe Dich.“ lassen sich in gefühlten 1000+1 Varianten sagen, sprechen, schreien, herunterleiern, flüstern…
Wie ist das mit dem Lesen?

Wäre es ein Unterschied, ob ich jemandem schreibe:
„Ich würde dich immer noch morgens zum Bahnhof fahren.“
oder
„Ich würde dich morgens immer noch zum Bahnhof fahren.“
?

Nun, der Inhalt der Botschaft ist ja gleich. Oder kann man aus der Satzstellung eine Gewichtung herauslesen?

Beim Sprechen kann man den wichtigen Teil der Botschaft ja betonen. Also entweder das „MORGENS“ oder halt das „IMMER NOCH“.
Doch beim normalen Schreiben?

„immer noch morgens“ oder „morgens immer noch“

Ist es für den als wichtiger empfundenen Teil der Botschaft wichtig, an welcher Stelle dieser steht? Muss das, was man wichtiger MEINT eher vorne stehen?
Oder ist bei so einem Satz alles Jacke wie Hose?
Es wird halt jemand zum Bahnhof gefahren. Fertig. Wie, warum, weshalb, wann… Egal?

„morgens immer noch“ oder „immer noch morgens“

Ich denke mir für mich eine Gewichtung. Wie ich ihn betonen würde, würde ich ihn sagen. Doch kommt diese Gewichtung dann auch schriftlich so rüber?
Wenn mir wichtig wäre, das ich immer noch jemanden MORGENS wohinfahren würde – müsste das MORGENS dann nach vorne? Oder ist das egal?
Und beim IMMER NOCH?

Oder mache ich mir einfach mal wieder nur viele unnütze Gedanken um viele Worte?